Deutschland lernt Digitalisierung

Die Redaktion befragt Akteure zu aktuellen Herausforderungen im Bereich Stadtentwicklung.
Juni 2020 WirtschaftsWoche Smart Cities

»Die Corona-Krise gibt die Chance zum Umbau.«

Kurt Sigl Präsident; Bundesverband eMobilität e.V. (BEM)

Corona hat den e-mobilen Konzepten der Smart City ihre erste Challenge verpasst. Die Sammel-Taxi-Anbieter BerlKönig oder Clever-Shuttle mussten auf das Abstandsgebot reagieren und Sitze frei halten oder nur Einzelkunden fahren. Der Anbieter von Elektrorollern Emmy managt zusätzliche Hygieneregeln. Helme müssen desinfiziert werden und auch Griffe, Knöpfe und Boxen. Und der Carsharing-Anbieter Miles hat zusätzlich ganze Reinigungsteams eingespannt. Zum ersten Mal erleben die neuen Mobilitätsangebote ihre erste strukturelle Anpassung. Der Gedanke von entspannter CO2-freier Mobilität jenseits von Stau, Lärm und Parkproblemen wird um den Aspekt der Rücksicht und Hygiene erweitert. Noch nie war der Einsatz für die Community der Kunden höher als in diesen Tagen. Der Öffentliche Nahverkehr sollte hier schnell aufspringen. Nicht nur mit freundlichen Durchsagen, sondern mit konkreten Umbauplänen für die städtischen Fuhrparks. Corona gibt die Chance zum Umbau. Retrofitting kann hier helfen, alte Verbrenner in E-Mobile zu wandeln, mit großer Rücksicht auf die städtischen Finanzen.
 

www.bem-ev.de

Juni 2020 WirtschaftsWoche Smart Cities

»Smarte Lösungen dürfen nicht Mittel zum Zweck sein.«

Dr. Christine Lemaitre Geschäftsführender Vorstand; Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB

Die Entwicklung von nachhaltigen Quartieren zählt zu den Schlüsselaufgaben der Stadtentwicklung. In Zeiten von Klimawandel, Ressourcenknappheit und sozialer Spaltung kommt Planern, Entwicklern, Bauherren und Kommunen eine besondere Verantwortung zu. Es geht um die Schaffung von zukunftsfähigen, lebenswerten Quartieren, in denen Menschen sich wohlfühlen, ohne dass Klima und Umwelt unnötig beeinträchtigt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB hat aktuell eine neue Version ihres Zertifizierungssystems für nachhaltige Quartiere veröffentlicht. Dieses soll dabei helfen, eine ganzheitliche Qualität zielgerichtet, systematisch und wirtschaftlich umzusetzen. Die Zertifizierung unterstützt dabei, Quartiere zu entwickeln, die einen möglichst geringen CO2-Ausstoß verursachen – in Planung, Bau und Nutzung. Auch eine kreislauffähigen Ressourcennutzung und eine nachhaltige Mobilitätsinfrastruktur werden gefördert. Smarte Lösungen können hierbei positive Beiträge leisten, sollten aber nie als Mittel zum Zweck missverstanden werden.
 

www.dgnb.de

Juni 2020 WirtschaftsWoche Smart Cities

»Digitalisierung heißt Vernetzung.«

Achim Berg Präsident; Bitkom

Deutschlands Kommunen lernen Digitalisierung – derzeit als Crash-Kurs. In der Corona-Krise hat die 11.000-Einwohner-Stadt Tangerhütte in Sachsen-Anhalt nicht lange gezögert und den Start der stadteigenen Online-Plattform „Digitales Rathaus“ vorgezogen. Seither können etwa Eltern ihr Kind ganz einfach online zur Kita anmelden. Smart-City-Vorreiter sind nicht nur Metropolen. Was unspektakulär klingt und in der kleinen Stadt funktioniert, würde andernorts Millionen Eltern sehr entlasten. Digitalisierung kann so einfach sein – und kann fast alles einfacher machen. In Tangerhütte erhält jeder Einwohner ein virtuelles Bürgerkonto. Digitale Prozesse sparen in der Verwaltung viel Arbeit und deren Mitarbeiter können sich künftig um das wirklich Wichtige kümmern. Digitalisierung heißt Vernetzung – aus analogen Prozessen werden digitale, aus getrennten Systemen kommunizierende. Entscheidend ist der Austausch mit Vorreitern, Unternehmen und Start-ups, etwa auf der Smart Country Convention in Berlin im Oktober. Digitale Technologien können das Leben effizient und einfach, bürgernah und umweltfreundlich machen.
 

www.bitkom.org