Schier endloser Boom

In Zeiten von Inflation und hoher Volatilität an den Geld- märkten sind Immobilien weiterhin stark nachgefragt.
Illustration: Banu Nefes Yildiz
Illustration: Banu Nefes Yildiz
Olaf Strohm Redaktion

Wenn irgendwo ein Ende des Immobilienbooms abzusehen wäre, dann wohl am ehesten in München. Denn hier werden für Wohnimmobilien bundesweit die höchsten Preise gezahlt. Die Zeichen stehen aber weiter auf Wachstum: „Das Interesse an Wohnraum in dieser begehrten Region wird auch in Zukunft nicht abnehmen, sondern weiter steigen“, so Daniel Ritter, geschäftsführender Gesellschafter bei Von Poll Immobilien.

Laut dem Immobilienmakler hat sich die durchschnittliche Vermarktungsdauer von Wohnimmobilien in München in jüngster Zeit stark verkürzt. Sowohl im Haus- als auch im Wohnungssegment habe sich die Angebotsdauer zwischen dem vierten Quartal 2018 und dem zweiten Quartal 2020 mit 90 Tagen bis 120 Tagen auf einem stabilen Niveau gehalten. Im zweiten Quartal 2021 aber verweilten Ein- und Zweifamilienhäuser nur noch rund 57 Tage auf dem Markt, bei Eigentumswohnungen waren es im Schnitt 63 Tage. Auch bei den Angebotszahlen sei eine ähnliche Entwicklung festzustellen. Die Zahl der Immobilien, die zum Verkauf standen, habe sich im selben Zeitraum fast halbiert. Die Folge sind weitere Preissteigerungen.

München bildet da keine Ausnahme. Ein Ende der Immobilienrallye ist nicht abzusehen. „Wohnen wird alles, aber nicht billiger“, titelt die Süddeutsche Zeitung und zitiert eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln im Auftrag des Immobilienunternehmens Accentro. Danach verteuerte sich im Schnitt eine Eigentumswohnung in einer deutschen Großstadt allein 2020 um mehr als zehn Prozent. Und ein Ende sei nicht in Sicht: „Die Preise steigen weiter“, zitiert das Blatt IW-Ökonom Michael Voigtländer.

Eine Immobilienblase sehe er nicht. In Zeiten übermäßiger Spekulation steige die Zahl der Verkäufe normalerweise deutlich an, die Daten aber zeigten das Gegenteil. Trotzdem boome der Immobilienmarkt weiter, auch wenn sich die Entwicklung vielleicht verlangsame. Anziehende Zinsen und Mieten, die teilweise die Grenze der Belastbarkeit erreicht hätten, könnten die Teuerung bremsen. Den Markt drehen würden sie aber nicht. Und die zuletzt gestiegene Inflation könne sogar eher dazu führen, dass sich auch die Mieten noch einmal verteuerten – und in der Folge auch die Immobilienpreise.

Wer dagegen in Ferienhäuser als vermeintlich sichere Geldanlage investierte, musste in der Corona-Pandemie Rückschläge hinnehmen. Diese Einschätzung relativiert Knud Wilden, Geschäftsführer der W&N Immobilien-Gruppe und Experte für Ferienimmobilien, in der Zeitung „Das Investment“. In der Hochsaison im Sommer 2020 habe das Statistische Bundesamt Zuwächse um bis zu 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet – ein noch nie dagewesener Boom. Zugleich sei das Angebot an Ferienobjekten und Top-Grundstücken, zum Beispiel Wasserlagen, rückläufig. „Die Objekte bieten somit weiterhin viel Potenzial und zeigen sich sehr wertstabil.“ Eine Ursache sei, dass viele Urlaubsländer unattraktiver oder unsicherer geworden seien. „Mit Corona kamen noch Unannehmlichkeiten wie Quarantänen und gestrichene Flüge hinzu, so dass eine schnell erreichbare Ferienwohnung in schöner Lage und eine gute medizinische Versorgung in der Nähe wichtig wurden“, so Wilden. 

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