Digitalisierung soll Klima retten

Mehr erneuerbare Energien, weniger fossile Brennstoffe – das ist die strategische Grundlage der Energiewende auf dem Weg zur Klimaneutralität. Sektorkopplung und Digitalisierung beschleunigen das Mammutprojekt.
Illustration: Patrick Suessle
Illustration: Patrick Suessle
Andrea Hessler Redaktion

Die Energiewende muss kommen. Doch der Weg dahin ist noch weit. Im Jahr 2020 erzeugten die Erneuerbaren Energien bereits mehr als die Hälfte des Stroms hierzulande. In den Energiesektoren Wärme, Kälte und Verkehr sieht es allerdings nicht so gut aus. Geheizt und gefahren wird immer noch überwiegend mit fossilen Energieträgern. Verbessern soll sich die Situation mittels Sektorkopplung und Technologien, die grünen Strom in andere Energieträger umwandeln. Beispiel Power-to-Heat-Technologie: Regenerativ erzeugter Strom wird für die Erzeugung von Heizungswärme genutzt. So kann zum Beispiel eine Wärmepumpe im Keller aus einer Kilowattstunde Strom mehrere Kilowattstunden Wärme erzeugen. Auch im energieintensiven Verkehrssektor muss Strom aus erneuerbaren Energien zur Energiewende beitragen. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Modellen von Elektroautos, deren Reichweite immer weiter verbessert wird. Sie können inzwischen laut Bundesnetzagentur an rund 42.000 öffentlich zugänglichen Ladestationen Strom tanken. Auch die elektrolytische Gewinnung von Wasserstoff, der Brennstoffzellenfahrzeuge antreibt, sowie synthetischer flüssiger Kohlenwasserstoff für den Antrieb von Verbrennungsmotoren treiben die Energiewende voran. Verfahren wie dieses, bei dem Ökostrom in chemische Energieträger oder Grundstoffe für die Industrie umgewandelt wird, laufen unter der Bezeichnung Power-to-X und bieten zum Beispiel die Möglichkeit, Diesel, Benzin und Heizöl sowie synthetisches Gas herzustellen.

Dies bedeutet jedoch auch, dass immer mehr Strom gebraucht wird. Um die Klimaziele zu erreichen, muss die nachhaltige Stromerzeugung weiter steigen, so die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE). „Eine deutliche Mehrheit der Deutschen von 86 Prozent befürwortet sogar einen noch stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien als bisher – und erkennt die enormen Chancen ihres Ausbaus und den Bedarf an Stromnetzen für die lokale Wirtschaft“, sagt Dr. Robert Brandt, Geschäftsführer der AEE, zum Ergebnis einer repräsentativen Akzeptanzumfrage, die das Meinungsforschungsunternehmen YouGov im Auftrag der AEE kürzlich durchgeführt hat. Allerdings fällt die Zustimmung geringer aus, wenn es um die Akzeptanz für Erneuerbare-Energie-Anlagen wie Solarparks oder Windräder in der eigenen Nachbarschaft geht. Darin zeigt sich eines der massivsten Probleme beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Auch wenn zahlreiche Dächer von Wohn- und Gewerbegebäuden, Ställen und Scheunen inzwischen von Solarpanelen bedeckt sind, wird insgesamt zu wenig Strom umweltfreundlich, am Ort und zum Zeitpunkt des Verbrauchs erzeugt. Dies ändern soll der verstärkte Einsatz von digitalen Technologien. Schon im Jahr 2018 stellte die AEE im Rahmen einer Metaanalyse fest, dass digitale Technik in allen Bereichen und auf allen Stufen der Wertschöpfungskette der Energiewirtschaft auf dem Vormarsch sei. Die Analyse zeigte, dass Energiewende und Digitalisierung untrennbar miteinander verbunden sind, dass aber die  Energiewirtschaft in puncto Digitalisierung ihre Möglichkeiten bei weitem noch nicht ausgeschöpft hat. Doch nur mit ihrer Hilfe könnten die schwankenden Produktionsmengen – ein neuralgischer Punkt der Erneuerbaren Energien – ausgeglichen werden. So könnte etwa die Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien so gebündelt werden, dass sie als eine Art virtuelles Kraftwerk genauso verlässlich Strom lieferten wie ein konventionelles Kraftwerk. Smart Grids wiederum, intelligente Stromnetze, sorgen dank der Erhebung von großen Datenmengen mit hoher Qualität für die optimale Verteilung.

„Künstliche Intelligenz ist ein zentrales Element der Wirtschaft von morgen – und ein wichtiger Baustein für den nachhaltigen Umbau unseres Energiesystems und die nachhaltige Sicherung der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., BDEW.

„Bereits heute werden KI-Anwendungen in der Energie- und Wasserwirtschaft eingesetzt, um die Effizienz zu verbessern, Kunden besser zu bedienen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren und Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten.“ Auch das Digitalisierungsbarometer, das BDEW und die Unternehmensberatung Kearny/IMP3ROVE jährlich herausgeben, beweist, dass der digitale Wandel zu einem zentralen Pfeiler der Unternehmensstrategien geworden ist. Rund 77 Prozent der befragten Versorgungsunternehmen haben oder planen eine Digitalisierungsstrategie. Mehr als 85 Prozent erwarten eine Steigerung des Digitalisierungsbudgets in den kommenden Jahren. Insbesondere in den Bereichen Dienstleistungen für dezentrale Erzeugung, Services für E-Mobilität sowie Messstellenbetrieb und Messdienstleistungen sehen Energiemanager lukrative digitale Geschäftsfelder. Zudem können mittels digitaler Werkzeuge Energie- und weitere Kosten reduziert werden, etwa beim mobilen Workforce-Management, der vorausschauenden Instandhaltung und bei digitalen Workflows.

Blockchain und KI: Lösungen für eine klimafreundliche Energiewirtschaft?

„Um die Möglichkeiten der Digitalisierung im Sinne der Energiewende konkret zu erproben und innovative Ideen zu katalysieren, braucht es einen geeigneten Ort“, sagt Andreas Feicht, Staatssekretär im Bundesministerium der Wirtschaft (BMWi), das die Deutsche Energie-Agentur (dena) mit dem Projekt Future Lab betraut hat. Es entsteht aktuell in Berlin. Rund 50 Unternehmen sind dort bereits vernetzt und probieren auf Basis von Technologien wie Blockchain und KI digitale Lösungen für eine klimafreundliche Energiewirtschaft. Diese Schnittstelle zwischen Digital- und Energiewirtschaft, zwischen jungen und etablierten Unternehmen, soll die Vernetzung von Energie- und Digitalwirtschaft fördern. Die Pläne sind ehrgeizig. „Wir sind davon überzeugt, dass das Future Lab ein Ort sein wird, an dem Zukunftsvisionen in die Realität umgesetzt werden können“, sagt Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung. Die beschriebenen Fortschritte sind ein Indiz dafür, dass sich die Energiewirtschaft aus ihrer traditionellen, eher konservativ ausgerichteten Rolle löst und zu einem Player im Hightech-Lager wird.

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