Anders Auftanken

Alles redet von Elektroautos, als gäbe es nichts anderes. Doch was ist mit Wasserstoff, Brennstoffzelle oder E-Fuels? Wie werden wir uns morgen fortbewegen? Und wo liegen die Vor- und Nachteile der alternativen Kraftstoffe?
Illustration: Wyn Tiedmers
Illustration: Wyn Tiedmers
Kai Kolwitz Redaktion

 

Wer im Jahr 2021 ein oder mehrere neue Autos anschaffen muss, der steht vor kniffligen Entscheidungen. Elektroantrieb? Hybrid, um auf der sicheren Seite zu sein? Doch noch mal Verbrenner, für die Zeit, bis die Lage klarer ist – oder sogar in der Hoffnung, dass synthetische Kraftstoffe Benziner und Diesel doch noch retten werden? Wasserstoff-Autos gäbe es auch noch – aber gibt es dafür auch Tankstellen? Und was ist mit technisch spannenden Außenseiter- Lösungen? Fahren wir in Zukunft vielleicht doch noch ganz anders, als wir es uns im Moment vorstellen können?

 

Sicher ist: Mit Verbrennungsmotoren und aus erdölerzeugtem Benzin oder Diesel werden sich die von der Europäischen Union festgeschriebenen Klimaziele nicht erreichen lassen. Die gute alte Zeit wird also ziemlich sicher nicht wiederkommen. Erst recht, da in vielen Ländern bereits Diskussionen darüber laufen, zu welchem Stichtag die Zulassung von neuen Verbrennern für den Straßenverkehr beendet werden soll. Die Frage ist, welche alternative Antriebsart die alten Konzepte ersetzen wird. Oder vielmehr, in welchen Bereichen die momentan diskutierten alternativen Antriebe ihre Stärken optimal ausspielen können.

 

Im Pkw-Bereich spricht derzeit einiges dafür, dass von Batterien gespeiste Elektro-Fahrzeuge in der näheren Zukunft das Mittel der Wahl sein werden. Die Reichweiten vieler Modelle haben sich bei langstreckentauglichen 400 bis 600 Kilometern eingependelt. Auch die Ladevorgänge werden sukzessive zügiger: An Schnellladern lassen sich viele Modelle bereits in 30 bis 40 Minuten von 20 auf 80 Prozent der Ladekapazität bringen – also quasi während der Essenspause. Weitere Erhöhungen der Reichweite und Verkürzungen der Ladezeiten sind für die Zukunft avisiert. Und an Defiziten in Sachen Lademöglichkeiten und Netzkapazität wird derzeit mit hohem Einsatz – und viel Fördergeld – gearbeitet. Versorger E.ON gibt etwa an, dass die deutschen Stromnetze in der Lage sein werden, zehn Millionen E-Autos bis 2030 zu verkraften. Eine reine Elektro-Flotte bis 2045 soll auch keinProblem sein.

 

Auch die deutschen Autohersteller scheinen ihre Wahl getroffen zu haben. So waren es hauptsächlich mit Strom betriebene Modelle, die als Messe-Neuigkeiten auf der diesjährigen Internationalen Automobilausstellung die meiste Aufmerksamkeit auf sich zogen: BMWs Elektro-SUV iX soll Ende des Jahres auf den Markt kommen, Mercedes präsentierte den EQE im Format der E-Klasse, der Mitte 2022 bei den Händlern stehen soll. VWs SUV-Coupé ID.5 wird für Anfang 2022 erwartet, nachdem der Konzern mit den bereits erhältlichen Volumenmodellen ID.3 und ID.4 schon deutlich Flagge zeigt. Ein Kleinwagen namens ID.1 ist für Mitte des Jahrzehnts avisiert. Andere alternative Antriebskonzepte werden – wenn überhaupt – mit deutlich geringerem Ehrgeiz verfolgt.

 

Aber was ist dann mit Wasserstoff, E-Fuels und weiteren Konzepten wie der Methanol-Brennstoffzelle, die der Ingenieur und ehemalige Audi-Manager Roland Gumpert mit seiner Firma propagiert? Sie alle haben ihre Vorzüge und ihre möglichen Anwendungsfälle. Allerdings liegen die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht im Bereich neuer Personenwagen.

 

Zum Beispiel Wasserstoff. Sogenannter „grüner“, also CO2-neutral erzeugter Wasserstoff wird mithilfe von Öko- Strom aus Wasser hergestellt. Mit der Technologie verbinden sich große Hoffnungen im Zusammenhang mit einem Umstieg auf eine klimaneutrale Industrie. Er könnte etwa als Brennstoff oder Prozesschemikalie in der Stahl-, Dünger- oder Zementherstellung zum Zuge kommen. Die Bundesregierung will den Umstieg in den kommenden Jahren mit mehreren Milliarden Euro fördern – und damit noch weit größere Investitionen auslösen. Das Geld soll Produktion, Speicher, Leitungsnetze und weitere Infrastruktur finanzieren. Auch ein Tankstellennetz für Wasserstoff ist unter den geförderten Projekten.

 

Bei den Personenwagen hat Wasserstoff gegenüber batterieelektrischem Antrieb allerdings ein Problem: den Wirkungsgrad. Wer direkt mit Öko-Strom aus dem Akku fährt, der kommt weiter als der, der mit diesem Strom erst einmal Wasserstoff produziert, diesen dann in einen Tank füllt und aus diesem eine Brennstoffzelle speist, die den Wasserstoff wiederum in Strom für einen Elektromotor umwandelt – denn bei jedem Umwandlungsschritt geht Energie verloren.

 

Zum Mittel der Wahl könnte Wasserstoff dagegen dort werden, wo so große Lasten bewegt oder so weite Strecken zurückgelegt werden müssen, dass dies mit Energie aus Batterien nicht möglich wäre. Als Treibstoff für schwere Lkw ist der Stoff deswegen eine Option für klimaneutralen Transport. Auch mit Schienenfahrzeugen, Schiffen oder Flugzeugen mit Wasserstoffantrieb wird experimentiert.

 

So erproben Siemens und die Deutsche Bahn etwa Konzepte, wie im Regionalverkehr die bisherigen Diesel-Triebwagen durch solche mit Wasserstoffantrieb ersetzt werden könnten. Motorenhersteller Deutz will ab 2024 Wasserstoff-Verbrennungsmotoren für den Einsatz in Stromaggregaten und schweren Maschinen bauen. Und viele Lkw-Hersteller arbeiten ebenfalls an Antriebskonzepten mit Wasserstoff als Treibstoff – sowohl für Brennstoffzellen, die Elektrizität für Elektromotoren liefern, als auch für konventionelle Verbrennungsmotoren. Unter anderem Mercedes und MAN sind hier aktiv.

 

Einer ähnlichen Verwertungslogik wie Wasserstoff folgen auch die sogenannten E-Fuels. So bezeichnet man synthetische Treibstoffe, die durch einen nochmaligen Umwandlungsschritt aus ökologisch erzeugtem Wasserstoff hergestellt werden. Benzin, Diesel, Erdgas, Kerosin – Varianten von all dem sind machbar und lassen sich dazu verwenden, ganz normale, althergebrachte Verbrennungsmotoren anzutreiben. Und das klimaneutral, weil nur so viel CO2 frei wird, wie im Herstellungsprozess aus der Atmosphäre entnommen und in den Treibstoff eingebracht wird.

 

Mehrere Unternehmen arbeiten derzeit an Pilotanlagen. Unter anderem baut Porsche gemeinsam mit Siemens eine Produktion im windreichen Patagonien auf.

 

Gegenüber Wasserstoff haben E-Fuels den Vorteil, dass sie sich lagern und transportieren lassen wie Benzin oder Diesel. Tiefe Temperaturen, hohe Drücke und der damit verbundene konstruktive Aufwand fallen weg. Allerdings ist der Wirkungsgrad noch einmal schlechter als der von grünem Wasserstoff – hier schlägt die nochmalige Umwandlung zu Buche.

 

Im Pkw-Bereich könnten E-Fuels deshalb vor allem da zum Zuge kommen, wo es keine Infrastruktur für Elektromobilität gibt. Außerdem könnten sie dazu dienen, nach einem Ende fossiler Treibstoffe Altfahrzeuge weiterzubetreiben, wenn das im konkreten Fall wirtschaftlich ist oder wenn es darum geht, Liebhaberstücke auf der Straße zu halten. Oder sie könnten Sportwagenfans die Möglichkeit eröffnen, weiter einen von einem Verbrennungsmotor angetriebenen Porsche 911 zu bewegen – nebst dessen rassigem Motorsound.

 

Dort, wo Kilometerkosten eine Rolle spielen und die Infrastruktur für batterieelektrische Fahrzeuge existiert, dürften E-Fuels aber eher nicht zum Zuge kommen. Und – nicht zu vergessen: Mit E-Fuels laufen Verbrennungsmotoren zwar klimaneutral. Aber die altbekannte Technik produziert auch weiter die altbekannten Schadstoffe: Stickoxide, Kohlenmonoxid, Ruß und so weiter.

 

Zum Mittel der Wahl könnten die synthetischen Treibstoffe dagegen in der Luftfahrt werden. Sie lassen sich schnell in großen Mengen an Bord von Flugzeugen bringen und können so genug Energie liefern, um eine Boeing 747 über den Atlantik fliegen zu lassen. Mit heutigen Elektroantrieben wäre das nicht denkbar.

 

Blieben da noch Roland Gumpert und die Methanol- Brennstoffzelle. Die ist im Prinzip ein Antrieb per E-Fuel und Wasserstoff in einem: Der synthetische Öko-Kraftstoff ist diesmal Methanol, der aus „grünem“ Wasserstoff hergestellt wird. Zusammen mit Wasser wird dieses Methanol ganz normal in ein Fahrzeug gefüllt – und in diesem erst wieder zurück in Wasserstoff und danach via Brennstoffzelle in elektrische Energie umgewandelt, die einen E-Motor antreibt. So entsteht ein Fahrzeug, dessen Tankanlage so wenig konstruktiven Aufwand erfordert wie die eines Verbrenners, gleichzeitig aber die Vorteile eines leisen, emissionsarmen Elektromotors bietet.

 

Der Nachteil ist wieder – genau: der Wirkungsgrad. So hat Gumperts Firma zwar den Supersportwagen „Nathalie“ konstruiert, der mithilfe einer Methanol-Brennstoffzelle atemberaubende Fahrleistungen bietet. Doch diesen Renner bezeichnet Gumpert selbst als Marketing-Tool. Die wirklichen Einsatzbereiche für den von seiner Firma erdachten Antrieb liegen wieder da, wo Batterien keine Alternative sind: schwere Nutzfahrzeuge, Langstrecken auf der Schiene, in der Luft oder auf dem Wasser.

 

Und bei all dem – einen weiteren Aspekt darf man nicht außer Acht lassen, was die alternativen Treibstoffe angeht: Auch, wenn die mangelhafte Infrastruktur für Elektromobilität derzeit noch allgemein bemängelt wird – bei grünem Wasserstoff und E-Fuels sieht es noch viel schlechter aus. Bisher existieren für die Produktion lediglich Pilotanlagen. Damit sich die Konzepte auf breiter Front durchsetzen, müssten die Kapazitäten gewaltig gesteigert und die Produktionskosten gleichzeitig deutlich gesenkt werden – mit allen damit verbundenen Tücken des Details.

 

Man kann also gespannt sein, welche Antriebsart sich in Zukunft in welchen Bereichen der Fortbewegung und des Transports durchsetzen wird. Besser viele Optionen als keine. Die Zukunft verspricht spannend zu werden.

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